Automobilzulieferer sind reif für neue Logistiksysteme

von Luisa Walendy
Autoreifen im Schnee

Es ist Anfang Dezember. Der ein oder andere wird es kennen: Die Winterreifen sind gerade erst aufgezogen, obwohl sie laut Faustregel bereits im Oktober ihren Weg auf die Straße hätten finden sollen. Normalerweise gehöre ich zu denen, die das saisonale Aufrüsten des Autos viel zu spät in Angriff nehmen, doch dieses Jahr hat ein verfrühter Schneefall in Aachen meine Erinnerung geweckt. Und bei den aktuellen Wetterschwankungen können Schnee und Frost jeden Moment wieder überraschen.

Bei einem übereilten Wechsel kann es dann durchaus passieren, dass die alten Reifen - die man fahrlässiger Weise nach dem letzten Einsatz nicht auf ihre Qualität geprüft hat - gar nicht mehr den Ansprüchen eines kalten, glatten und eisigen Winters genügen. Dann besteht die Gefahr, dass erst neue Reifen bestellt werden müssen, selbst wenn man noch spontan einen Termin arrangieren konnte. Bis die da sind und ein neuer Termin vereinbart ist, können wieder Tage vergehen. Diese unerfreuliche Erfahrung durfte ich im letzten Jahr machen. Nachdem zwei meiner Reifen für den kommenden Winter nicht mehr einsatzfähig waren, wurden neue Reifen bestellt. Obwohl die Lieferung bereits nach zwei Tagen die Werkstatt erreichte, musste ich dennoch aufgrund der Terminfülle 14 Tage warten, bis ich erneut einen Termin ergattern konnte.

Ganz unabhängig von den wetterfühligen Panikkäufern ist Termintreue der Hersteller von Auto- und Motorradreifen Grundvoraussetzung für einen reibungslosen Reifenwechsel. Um den Händlern und Automobilproduzenten eine rechtzeitige Lieferung gewährleisten zu können, benötigen sie daher stabile Logistikprozesse. Häufig muss innerhalb eines Tages geliefert werden. Um solche Anforderungen sicher bewältigen zu können, sind meist elektronische Prozesse erforderlich. Auch außerhalb der Winterreifensaison empfiehlt sich eine digitalisierte Logistikkette, um Kundenwünsche optimal bedienen zu können. Dennoch sind intelligente Systeme bei Reifenherstellern und anderen Automobilzulieferern relativ wenig verbreitet. Ein Beispiel könnte sich die Branche bei den Automobilherstellern nehmen: Dort werden Abläufe im und vor dem Werk meist schon mit Software geplant und gesteuert.

Das Optimierungspotenzial ist ähnlich

Während Automobilhersteller ihre Lkw-Zulaufsteuerung und den Werksverkehr häufig durch Software planen lassen, ist die Logistik der Zulieferer eben oft noch nicht optimiert. Dabei könnte eine intelligente Zulaufsteuerung auch dort die Anfahrt von Frachtfahrzeugen bis zur Laderampe im Werk planen, verfolgen, steuern und optimieren. Außerdem können Spediteure mit Hilfe dieser Systeme ankommende Lkw in einem Online-Portal melden und per Zeitfenstermanagement buchen, wann das Fahrzeug ankommt und wo es entladen bzw. beladen werden kann. Arbeitet so eine Zulaufsteuerung bereits mit GPS-fähigen Handys und ist der Fahrer entsprechend ausgerüstet, wird der zur vereinbarten Zeit anfahrende Lkw ab einer bestimmten Entfernung zum Werk erfasst und in Echtzeit verfolgt. Intelligente Systeme können so berechnen, wann der Fahrer tatsächlich eintrifft und die entsprechende Ressourcen sowie eine Rampe zuordnen. Falls es zu Verzögerungen kommt, berechnet die Software die Disposition um. So könnten auch Automobilzulieferer wesentlich früher auf Veränderungen in der Planung reagieren. Außerdem kann dringend benötigte Fracht so priorisiert und schnellstmöglich verladen werden. In der Automobilindustrie nutzt beispielsweise der Fahrzeughersteller Audi solche intelligenten Systeme, um die Zulaufsteuerung zu seinem Werk in Ingolstadt effizienter zu gestalten.

Systeme, wie sie bei Automobilherstellern wie Audi bereits eingesetzt werden, können auch für Automobilzulieferer Vorteile bieten, um eine termintreue Lieferung zu sichern. So wird durch die Online-Optimierung unter anderem ein staufreier Lkw-Durchlauf im Werk gewährleistet. Die Belegung der Rampen, freie Entladeressourcen, im System befindliche Fahrzeuge inklusive der für diese Fahrzeuge geplanten Ladestellen können dynamisch und in Echtzeit an die aktuelle Situation im Werk angepasst werden. Auf Basis dieser optimierten Planung werden Staus im Werk vermieden, Wartezeiten an Laderampen minimiert, für eine ideale Auslastung der logistischen Ressourcen gesorgt und Fracht mit der gewünschten Geschwindigkeit in die Produktion geschleust.

Eine optimierte Zulaufsteuerung lohnt sich auch aus Kostensicht: Das Unternehmen zahlt weniger Standgelder oder auch geringere Transportraten. Zusätzlich profitiert der Transporteur. Er reduziert die Standzeiten seiner Lkw, die zu den größten Verschwendungen im Fahrzeugbetrieb gehören und erhöht die Planbarkeit seiner Ressourcen.

Einsatz gleicher Systeme schafft Integrationsbasis

Die mehrstufigen Anlieferungskonzepte der Automobilhersteller können für die Zulieferer als Referenzanwendungen gelten, da sie ähnlich wie ihre eigene Logistik funktionieren. Mehrstufig heißt, dass sie mit Zwischen- und Außenlagern arbeiten, die als innerbetriebliche Zulieferer fungieren. Darüber hinaus ergibt sich ein weiterer Grund, warum Automobilzulieferer künftig vermehrt auf intelligent optimierende Lkw-Zulaufsteuerung setzen sollten. Da nahezu alle ihre Kunden diese Systeme bereits einsetzen, ließe sich die Logistik wesentlich tiefer integrieren. Denn die Zulaufsteuerung kann auch für das Anfordern von Leer-Lkw und die Organisation ihrer Beladung eingesetzt werden. Mit dem Einsatz gleicher Systeme könnten die Logistikprozesse von Automobilherstellern und -zulieferern effizient miteinander gekoppelt werden. Die Ausgangslogistik des Zulieferers ließe sich dann auf der Basis eines gleichen Systems optimal mit der Eingangslogistik des Automobilherstellers verbinden. Auf diese Weise könnten in beide Richtungen Optimierungspotenziale realisiert werden: Bei der Eingangslogistik ergeben sich Kosten-, Produktivitäts- und Versorgungssicherheitsvorteile, bei der Ausgangslogistik neue Synchronisierungsmöglichkeiten mit den Kunden.

Fazit

Die intelligente Lkw-Zulaufsteuerung bietet viele Vorteile für die Logistikprozesse von Automobilzulieferern. Während Automobilhersteller das Potenzial solcher Systeme für die Zulaufsteuerung und den Werksverkehr oft schon erkannt haben, sind die Zulieferer häufig noch nicht vertraut mit elektronischen Prozessen. Gerade durch die Optimierung beider Seiten könnten sich neue Logistikpotenziale ergeben, wenn die Systeme der Hersteller und Zulieferer verknüpft würden. Winterreifen sind nur ein Beispiel für die Notwendigkeit termingetreuer Abläufe in der Automobilindustrie. Eine termingerechte Produktion und deren sichere Versorgung sind in der gesamten Automobilbranche die Basis qualitativ hochwertiger Dienstleistungen und Produkte. Bei termingerecht und sicher denke ich bereits an den nächsten Winter und mein eigenes Auto. Der erste Vorsatz für das neue Jahr ist bereits gefasst.

Haben Sie schon Erfahrungen mit elektronischen Prozessen bei einem Automobilzulieferer gemacht? Welche Potenziale sehen Sie hier?



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Über die Autorin

  • Luisa Walendy

    Luisa Walendy arbeitete von 2015 bis 2022 für die INFORM GmbH und schrieb hauptsächlich zu den Themen Produktion und Industrielogistik.

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