Digitale Plattformen für ganz neue Möglichkeiten in Disposition und Supply Chain

Schauen wir uns einmal die digitalen Giganten unserer Wirtschaft an, so erkennen wir schnell, mit welchem Rohstoff sie erfolgreich geworden sind: Daten. Das Prinzip von Google und anderen Vorreitern folgt dem so genannten Datenextraktivismus. Das bedeutet, so viele Daten zu gewinnen und zu verarbeiten, wie nur möglich. Aber nicht zum Selbstzweck des Datenbesitzes, sondern weil die modernen Optionen, mit Daten zu arbeiten, enorm viel Potenzial bieten.
Gleichwohl der Umgang mit unseren Daten bei diesen Großkonzernen sicherlich fragwürdig ist, ist das Grundprinzip ein sehr sinnvolles. Denn vor allem künstliche Intelligenz und ihre Möglichkeiten im Bereich Machine Learning oder Deep Learning schöpfen den Wert von Daten vollends aus. Damit dies funktioniert, gilt das Prinzip: Je mehr Daten in das System eingespeist werden, desto besser werden Klassifizierungen neuer Daten und somit die Ergebnisse.
Bessere Ergebnisse auch für die Disposition
Aktuelle Anwendungsfelder sind beispielsweise das Autonome Fahren, bei dem die Klassifizierung von Objekten und Gesichtern wichtig ist, um Fußgänger und eine eventuelle Absicht zur Überquerung der Straße frühzeitig zu erkennen. Je mehr Gesichter der Algorithmus also bereits erkannt hat, desto besser kann er unterscheiden, ob ein Fußgänger nur andere Objekte auf der gegenüberliegen Straßenseite betrachtet oder unmittelbar den Weg des Autos kreuzen wird. Je öfter die Maschine solche Szenarien durchspielt, desto besser wird sie. Wie könnte ein ähnliches Prinzip für das Supply Chain Management, speziell für die Disposition, funktionieren?
In der Disposition besteht eine der Hauptfragestellungen in der Bestellung der richtigen Menge von Handelsware, Roh- oder Zukaufmaterial, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort. Wenn im Sinne einer Optimierung mittels Daten und Künstlicher Intelligenz auch hier das oben genannte Prinzip des „je mehr, desto besser“ gilt, dann könnte eine Lösung für die Disposition folgendermaßen aussehen: Eine Plattform sammelt und verwertet Bestell- und Absatzinformationen zu sich ähnlich verhaltenden Produkten zahlreicher Anbieter. Auf dieser Basis können alle, die ihre Daten beigesteuert haben, wiederum besser für ihr eigenes Unternehmen planen und disponieren.
Ein Beispiel: Es gibt über 120.000 Betriebe in Deutschland, die sich mit dem Handel und Großhandel mit Unterhaltungselektronik beschäftigen. Da diese Erzeugnisse des Öfteren groß sind und meist auch preisintensiv, ist eine absatzorientierte Bevorratung wichtig, um keine unnötigen Lager- und Kapitalbindungskosten zu haben.
Prognosesysteme, die sich die Vergangenheitsdaten zur Kundennachfrage für ein einziges Unternehmen anschauen, können bereits präzise Prognosen für die Zukunft ermitteln. Doch Ausnahmesituationen, wie die Einführung ganz neuer Sortimente, neue Beschaffungswege oder ein zunehmender Online-Handel können das Supply Chain Management trotzdem auf die Probe stellen, da keine Vergangenheitswerte vorliegen.
Eine Dispositionsplattform, die in diesem Beispiel auf Basis von Informationen aller deutschen Anbieter von Unterhaltungselektronik arbeitet, kann um ein Vielfaches bessere Bestellvorschläge liefern. Denn nimmt man alle Aktionen zusammen, ist nahezu jede schwierige Bestellsituation schon einmal aufgetreten. Der Algorithmus bekommt also ein viel größeres „Futter“ für seine Berechnungen und kann schneller lernen und folglich bessere Ergebnisse liefern. Jedes Unternehmen profitiert also von der Erfahrung aller in der Gesamtheit.
Mehr als Data Sharing
Diese Idee geht ein wenig weiter als die reine Idee des „Data Sharing“, bei der wir davon sprechen, dass Unternehmen intern und mit direkt angebundenen Partner und Lieferanten Daten austauschen, um die Prozesse der Supply Chain zu verbessern. Beim Plattform-Gedanken speisen wir ein System mit Daten hunderter oder tausender Unternehmen derselben Art. Als Nutzer einer solchen Plattform kennen wir diejenigen, mit deren Daten wir dann arbeiten, im Zweifel nicht – und sie kennen uns nicht. Das setzt ein starkes Vertrauen voraus und zwar ein Vertrauen in den Plattformanbieter. Denn er muss für Sicherheit, Transparenz und Qualität der Daten sorgen. Insofern er dies leisten kann und der korrekte Umgang mit den Informationen durch faire Spielregeln für alle „Mitspieler“ gesichert ist, verspricht diese Vision eine ganz neue Sicherheit in den Dispositionsprozessen.
Können Sie sich vorstellen, für bessere Performance eine Plattform mit Ihren Daten aus der Disposition zu versorgen?