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Industrie 4.0 und Digitalisierung im Dienst der Nachhaltigkeit?!

01.06.2023 // Dr. Dorothea Ernst

Nachhaltigkeit und Digitalisierung sind Themen, die bisher selten zusammen gedacht und gestaltet wurden. Das muss sich ändern, denn die Digitalisierung kann sowohl ein Beschleuniger für nicht-nachhaltiges Handeln als auch ein effektiver Hebel für die Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften sein. Wie die Digitalisierung helfen kann, nachhaltiges Wirtschaften zu fördern und welche Ansätze es dafür gibt, lesen Sie in diesem Blogartikel.

Sicherlich haben wir alle schon einmal den Begriff „Industrie 4.0“ gehört. Doch was genau bedeutet Industrie 4.0 und welche Phasen gingen ihr voraus? In der bisherigen Geschichte der industriellen Revolution lassen sich vier Phasen unterscheiden: Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die Industrie 1.0 durch die Mechanisierung geprägt und die bis dahin überwiegend von Menschen bedienten Maschinen wurden zunehmend durch Wasser- und später Dampfkraft angetrieben. Industrie 2.0 war ab 1870 durch die Entstehung der Automobilindustrie und den Beginn der Globalisierung geprägt. Ab den 1970er Jahren gab es dann die Industrie 3.0, auch digitale Revolution genannt, die durch weitere Automatisierung und Vernetzung durch Elektronik und IT gekennzeichnet war. Derzeit befinden wir uns inmitten der 4. industriellen Revolution, die eine Ausprägung der fortschreitenden digitalen Transformation ist. Der Schwerpunkt liegt auf der Vernetzung durch digitale Technologien, technischer Unterstützung, dezentralen Entscheidungen und bedarfsorientierten Produktionsprozessen.

Die vier Phasen der Industrialisierung (Quelle: INFORM)

Die vier Phasen der Industrialisierung (Quelle: INFORM)

 

Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften

Seit der Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens und der Veröffentlichung der UN-Nachhaltigkeitsziele Ende 2015 scheint die Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften langsam Fahrt aufzunehmen. Die mit den UN-Nachhaltigkeitszielen angestrebte Transformation erfordert neben ökonomischen auch die Berücksichtigung ökologischer und sozialer Kriterien in unternehmerischen Planungs- und Entscheidungsprozessen. Dies erhöht die Komplexität von Entscheidungen erheblich. Hinzu kommt, dass eine Transformation immer von unvorhersehbaren Ereignissen begleitet wird, die das Planen und Entscheiden zusätzlich erschweren. Der Umgang mit knappen Ressourcen sowie die zentrale Optimierung und Steuerung multidimensionaler Planungsaufgaben, wie z.B. die Abwägung zwischen Auslastung der Produktionsmittel, Termintreue und Kosten, stellt bereits heute in der Welt der Unternehmenssteuerung mittels finanzieller Kennzahlen eine große Herausforderung dar.

Was ist also zu tun? Abwarten und reagieren? Wie kann die Digitalisierung helfen, die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaftsweise aktiv zu gestalten und den Wandel hin zu einer Wirtschaftsordnung zu fördern, die das Ziel hat, dass alle Menschen, Tiere und Pflanzen gut innerhalb der Grenzen des Planeten leben können?

Ökologische Nachhaltigkeit in der Industrie 4.0

Hier setzen die drei Entwicklungspfade der Task Force Nachhaltigkeit der Plattform Industrie 4.0 an. Die Plattform Industrie 4.0 ist das zentrale Netzwerk in Deutschland, um die digitale Transformation in der Produktion voranzutreiben. Seit Ende 2019 beleuchtet die temporäre Arbeitsgruppe “Task Force Nachhaltigkeit”, welchen Beitrag Industrie 4.0 zur ökologischen Nachhaltigkeit leisten kann. Aus der Diskussion, wie diese zu einer klima- und ressourcenschonenden Zukunft beitragen kann, hat die Task Force drei Entwicklungsansätze in eine digitale, vernetzte und nachhaltige Produktion der Zukunft herausgearbeitet. INFORM hat die Entwicklungspfade 1-3 darüber hinaus um die Entwicklungspfade 0 und 4 ergänzt, um aufzuzeigen, welche Beiträge zur Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften durch die Digitalisierung gestaltet werden können. Auf diese wird anschließend in den folgenden Abschnitten näher eingegangen.

Pfad 0: Digitalisierung für nachhaltiges Wirtschaften verstehen – Bewusstsein schaffen und vorhandene Technologie nutzen.

Pfad 1: Verbrauch senken, Wirkung steigern – Ressourceneffiziente und CO2-neutrale, digitalisierte Produktion.

Pfad 2: Vom Massenprodukt zum transparenten Serviceangebot – Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, die durch die Nutzung digitaler Abbilder von physischen Gegenständen und Infrastrukturen sowie standardisierter Schnittstellen wirtschaftlich und mit minimalen ökologischen Auswirkungen genutzt werden können.

Pfad 3: Teilen und Vernetzen – Nachhaltig digital zu wirtschaften heißt, zu kooperieren und in zirkulären Wirtschaftssystemen zu agieren.

Pfad 4: (Re- Generation von Resilienz – Hochkomplexe und dynamische Entscheidungssituationen datenbasiert unterstützen.

Pfad 0: Digitalisierung für nachhaltiges Wirtschaften verstehen

Vielen Menschen in Innovations- oder Entscheidungspositionen ist nicht bewusst, welche digitalen Werkzeuge zur Verfügung stehen, die auch heute schon nachhaltiges Wirtschaften begünstigen. Die Digitalisierung, insbesondere die Agile Optimierung schafft Freiräume, die genutzt werden können, um in mehrdeutigen Situationen die eigene Expertise voll einzubringen. Wichtig dabei ist, dass es nicht darum geht, das eigene Bauchgefühl aus langjähriger Praxiserfahrung zu ersetzen, sondern es zu ergänzen. Wenn dies gelingt, werden Planungs- und Entscheidungsprozesse in hochkomplexen, dynamischen und auch unvorhersehbaren Situationen durch das bewusste Zusammenspiel von Menschen, ihrer Intuition und der Maschinen beherrschbar.

Managementstrategien in unterschiedlich komplexen & vorhersehbaren Situationen

Managementstrategien in unterschiedlich komplexen & vorhersehbaren Situationen (Quelle)

 

Pfad 4: (Re-)Generation von Resilienz

In den letzten zehn Jahren haben sowohl die Datenverfügbarkeit als auch die Leistungsfähigkeit von Hard- und Software stark zugenommen. Damit können auch hochkomplexe und dynamische Entscheidungssituationen datenbasiert unterstützt werden. Mittel- und langfristig wird es sinnvoll und notwendig sein, zusätzliche „externe“ Kontextinformationen in die unternehmerische Entscheidungsfindung einzubeziehen. Dies geschieht bereits heute z.B. mit Schufa-Daten in Algorithmen zur Betrugs- und Korruptionsbekämpfung oder mit Flugplänen und Wetterdaten zur Orchestrierung von Lade- und Abfertigungsprozessen an Flughäfen. Weitere ökologisch und gesellschaftlich kontextrelevante Daten müssen von Kommunen und/oder anderen Institutionen erhoben und zur Verfügung gestellt werden, um echte Resilienz von Ökosystemen bzw. Resilienz von gesellschaftlichen Systemen und damit resiliente systemische Wertschöpfung gestalten zu können. Auf hybrider KI basierende Planungs- und Entscheidungssoftware kann solche Daten relativ einfach integrieren und damit nachhaltiges Wirtschaften unterstützen.

Mensch und Maschine im Einklang

Die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft ist für das Überleben der Menschheit notwendig und bereits in vollem Gange. Die Digitalisierung, insbesondere die agile Optimierung, kann dazu einen Beitrag leisten, indem sie darauf abzielt, dass Mensch und Maschine gemeinsam konkrete Entscheidungen modellieren, simulieren und schließlich umsetzen. Diese Strategie ermöglicht es Entscheidungsträgern das bestmögliche Gesamtergebnis unter Berücksichtigung aller wirtschaftlich, ökologisch und gesellschaftlich relevanten Faktoren und Kausalitäten zu erzielen. Damit ist dieser Ansatz besonders geeignet, die Transformation zu nachhaltigem Wirtschaften zu unterstützen.

Dieser Blogartikel war nur eine kurze Zusammenfassung des Buchbeitrags „Durch intelligente Datennutzung nachhaltig Wirtschaften“ von Dr. Dorothea Ernst und Dr. Andreas Meyer aus dem Buch „Industrie 4.0 als Hebel für stärkere Resilienz und mehr Nachhaltigkeit“ von Herausgeberin Christiana Köhler-Schute. Wenn Ihnen das Thema gefällt und Sie mehr dazu lesen möchten, finden Sie hier das Buch in voller Länge und mit vielen spannenden Beispielen.

Industrie 4.0 als Hebel für stärkere Resilienz und mehr Nachhaltigkeit

ÜBER UNSERE EXPERT:INNEN

Dr. Dorothea Ernst

Dr. Dorothea Ernst arbeitet seit 2020 bei der INFORM. Sie steht für Nachhaltigkeit als Innovationskraft und bringt zu diesem Thema > 15 Jahre Praxiserfahrung ein.