Intelligente Automobillogistik – Warum nicht alle Autokäufer so lange warten müssen wie ein Tesla-Kunde

von Luisa Walendy
Automobile Production

Zurzeit warten noch einige Menschen sehnsüchtig auf ihren Tesla Model 3 – um genau zu sein, über 400.000. Der reißende Absatz hat dafür gesorgt, dass der Elektroauto-Hersteller seine Produktion jetzt schneller als geplant hochfährt. Im Jahr 2020 soll bereits die Marke von einer Million Fahrzeuge geknackt werden. 2018 sollen pro Jahr 500.000 Autos hergestellt werden. Denn bei dem aktuellen Produktionstempo würden die Interessenten Jahre auf ihr Auto warten müssen. Doch auch bei allem Bemühen um Beschleunigung seitens Tesla werden die ersten Modelle weiterhin nicht vor Ende 2017 ausgeliefert. Neubesteller werden frühestens Mitte 2018 ihren Wagen erhalten.

Bei „normalen Autos“ ist die Wartezeit wesentlich kürzer. Dennoch macht man sich als Autokäufer selten bewusst, welche Abläufe genau hinter der Automobilfertigung stecken. 

Der Automationsgrad

Natürlich ist die Produktion eines Autos sehr komplex. Kommt ein Teil zu spät, kann es die komplette Fertigung aufhalten. Ein typisches Auto besteht aus etwa 20.000 bis 30.000 Komponenten, die von verschiedenen Lieferanten stammen. Daher werde ich nicht versuchen, die komplette Supply Chain und jedes einzelne Teil in diesem Artikel zu beschreiben. Damit der Blog nicht in einem Roman endet, möchte ich mich stattdessen auf die zentralen Aspekte in der Fahrzeugherstellung konzentrieren.

Bereits vor Produktionsstart müssen die strategische Planung, Design-Phase und Konstruktion des Automodells abgeschlossen sein. Auch die Kosten-, Fabrik- und Produktionsplanung, der erste Fertigungsversuch und die Produktion der Vorserie finden bereits vor der Fertigung des eigentlichen Fahrzeugmodells statt.  Bevor ich auf die eigentliche Fertigung zurückkomme, sollten Sie wissen, dass die Automobilindustrie zu den am meisten digitalisierten und automatisierten Branchen gehört. Der Automatisierungsgrad ist dabei stark vom Autotyp, der Nachfrage und der Produktionsstätte abhängig. Beispielsweise kann ein Auto wie der Koenigsegg One:1, das nur in sehr kleinen Stückzahlen produziert wird, komplett handgefertigt werden.  Normalerweise ist der Automationsgrad in der Automobilherstellung dennoch hoch: Im Vergleich zu anderen Industrien ist der Einsatz von Industrierobotern hier am höchsten. Über 98,900 neue Roboter – das sind 43 Prozent mehr als noch im Jahr 2013 – wurden seit 2014 in der Automobilindustrie installiert.

Am Montageband

Bei der eigentlichen Serienfertigung durchläuft das unfertige Fahrzeug dann verschiedene Arbeitsgänge am Montageband, die entweder von Mitarbeitern oder Robotern ausgeführt werden. Das Montageband führt dabei durch aufeinander folgende Bereiche wie Gießerei, Presswerk oder Karosseriebau, die durch Zählpunkte getrennt sind. Hier transformiert sich das Fahrzeug Schritt für Schritt vom Rohmaterial zum fertigen Auto. Die Rohkarosserie muss dann noch durch die Stationen Lackiererei, Fahrwerkfertigung, Innen- und Außenausstattung, Getriebe- und Motorbau sowie Fahrzeugmontage, bevor es letztendlich in der Qualitätskontrolle ankommt. Einige Fahrzeuge, deren Einbauten in der Serienfertigung nicht rentabel durchgeführt werden können, werden anschließend in den Sonderwagenbau überführt.

Gewerke & Materialflüsse in einem Fertigungswerk, Quelle: Logistische Modellierung. 2.Wissenschaftlicher Industrielogistik-Dialog in Leoben

Basierend auf diesem Produktionsaufbau kann die komplette Fertigung in entsprechenden Regelkreisen geplant und koordiniert werden. Auf diese Weise wird der Produktionsprozess an den Zählpunkten überwacht und bei möglichen Abweichungen von der Planung kann schnell eingegriffen werden. Ziel der Produktion ist es, den Fertigungsprozess für so viele verschiedene Fahrzeugvarianten wie möglich zu organisieren ohne den Fluss des Montagebands zu unterbrechen.

Am Montageband wird das “Just in Sequence”-Konzept angewendet. Damit wird sichergestellt, dass die richtige Anzahl an Komponenten in der richtigen Reihenfolge an das Montageband geliefert wird. Beispielsweise muss die Farbe der Teile bereits auf die Farbreihenfolge der Autos auf dem Band abgestimmt sein.

Nach der Produktion

Der Fahrzeugtransport startet am achten Zählpunkt, dem Ende der Fertigung. Hier wird das fertige Auto an den Transport übergeben. Die Fahrzeuge werden auf riesigen Autoterminals geparkt bevor sie sich auf ihren Weg zum Endverbraucher oder Händler machen. Häufig kommen hier intelligente Softwarelösungen für die Planung eines optimalen Weges zum Einsatz.Ein solches System wählt das optimale Transportmittel basierend auf Daten wie Zielort, Lieferdatum und Fahrzeugmodell. Die Art des Transports hängt außerdem von der Länge der Transportroute und der Kapazität des Transportmittels ab. Aufgrund dieser Bedingungen entscheidet das System, ob das jeweilige Fahrzeug besser mit dem Lkw, Zug oder Schiff transportiert werden soll. Die entscheidungsintelligenten Lösungen bestimmen zusätzlich je nach Art des Transportmittels, wo das Fahrzeug auf dem Autoterminal geparkt werden sollte, damit die Bewegungen auf dem Yard möglichst gering gehalten werden.

Teilweise müssen die Fahrzeuge während ihres Transportweges auf den Umschlagterminals zusätzlich in Werkstätten umgebaut oder gewartet werden. So soll sichergestellt werden, dass die Autos pünktlich geliefert und alle Ressourcen optimal genutzt werden. Die Fahrzeug-Identifikationsnummer (FIN) hilft, die Autos auf ihrer oft globalen Reise von der Produktion bis zum finalen Fahrer nachzuverfolgen.

Fazit

Die Supply Chain eines Autos ist sehr komplex und das Thema wird regelmäßig diskutiert. Mich persönlich faszinieren vor allem die digitalisierten Produktionsschritte und die weltweite Reise, die die Autos oft schon zurücklegen, bevor sie das erste Mal gefahren werden. Aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks in der Automobilbranche gehe ich davon aus, dass sich die Produktion und Supply Chain hier – genau wie das Auto selbst - weiterhin sehr schnell automatisieren werden. Ob das den Käufern des Tesla Models 3 die Wartezeit verkürzt, bleibt abzuwarten.  



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Über die Autorin

  • Luisa Walendy

    Luisa Walendy arbeitete von 2015 bis 2022 für die INFORM GmbH und schrieb hauptsächlich zu den Themen Produktion und Industrielogistik.

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