Logistik auf Autopilot – Welche Vorteile eine automatische Planung und Steuerung bieten

von Dennis Feddern

Die Diskussion um die Sicherheit selbstfahrender Autos zeigt, dass das Vertrauen in Autopiloten noch nicht vollkommen vorhanden ist. Kein Wunder. Denn mittlerweile sind mehrere Unfälle dokumentiert, bei denen der Autopilot aktiviert war. Doch während es konsequent Kritik an selbstfahrenden Autos hagelte, tauchen auch immer wieder Berichte über Autopiloten auf, deren Ausweichmanöver Leben gerettet haben.

Und im Rahmen der Digitalisierung spielt das Prinzip „Autopilot“ zunehmend nicht mehr nur im Fahrzeug selbst, sondern auch in anderen Bereichen eine wichtige Rolle. Denn der Mensch gibt auch in anderen Gebieten wie der Produktion oder der Logistik schon oft die Verantwortung für bestimmte Aufgaben an eine Maschine ab, schaltet hier also auf Autopilot. Das ist in vielen Bereichen sogar notwendig, da mit steigender Komplexität der Prozesse und Anforderungen eine schnelle Entscheidungsfindung erschwert wird und manuell nicht mehr zu bewältigen ist.

Ein Beispiel aus der Logistik

Im Logistik-Bereich gibt es verschiedene Prozesse, bei denen der Mensch Softwaresystemen häufig bereits die Steuerung überlässt, um so die Effizienz der Abläufe zu erhöhen. Denn in der Logistik sind in der Regel schnelle Entscheidungen gefragt, die zu einem großen Teil aus wiederkehrenden Situationen bestehen. Diese können daher gut automatisiert werden, um den Disponenten Zeit für die „wichtigen“ Entscheidungen wie Ausnahmefälle oder Prozessverbesserungen einzuräumen. Dies ist das Prinzip „Management by Exception“: Die Erledigung von Routinefällen wird intelligenten Algorithmen überlassen, die eigene Kompetenz und Erfahrung des Fachpersonals kommt dann in den Ausnahmefällen zum Tragen.

So bietet beispielsweise die Lieferlogistik viel Potenzial zur Optimierung durch intelligente Systeme. Viele produzierende Unternehmen kennen die Problematik in diesem Zusammenhang: Anliefernde und abholende Lkw stauen sich vor und im Werk an den Rampen und Ladestellen. Das liegt oft daran, dass der eigentliche Plan durch unvorhersehbare Ereignisse wie verspätete Lkw oder dringende Spontanlieferungen umgeworfen wurde. Hier schnell zu reagieren wäre eigentlich notwendig, ist aber in der Praxis kaum möglich. Eine manuelle Planung für das Zeitfenstermanagement wird aufgrund der vielen Rahmenbedingungen wie Personal- und Produktverfügbarkeit oder Kapazitätsgrenzen von Verladetechnik, die berücksichtigt werden müssen, immer schwerer.

Doch wie kann man hier den Autopiloten einschalten? Intelligente Planungssysteme ermöglichen, diese Planungsprozesse zu automatisieren und auf unerwartete Ereignisse flexibel zu reagieren. Dabei wird der zwischen Standorten und Speditionen abgestimmte Zeitfensterplan in Echtzeit nach jedem Ereignis überprüft und nach Bedarf verändert.

Auch die Steuerung der Prozesse kann automatisiert werden. Aufbauend auf der optimierten Planung werden die neuen Dispositionsentscheidungen automatisch getroffen und kommuniziert - Autopilot an. Das Ergebnis sind neben reduzierten Durchlaufzeiten, einer schnellen Abwicklung an der Pforte, einer effizienteren Ressourcenauslastung und sicheren Produktionsversorgung insbesondere eine flexible und effiziente Reaktion auf unvorhergesehene Ereignisse. Stoßzeiten werden außerdem geglättet und es entstehen so deutlich weniger Staus im Werk.

Innerbetriebliche Logistik

Und auch im Werk und im Lager nimmt das Einsatzpotenzial für einen Autopiloten nicht ab. Auch hier können Dispositionsentscheidungen digitalisiert und automatisiert werden, um die Effizienz zu steigern. Den Autopiloten anschalten kann oder sollte man hier am besten bei der Planung der Transportaufträge. Sie entstehen weitestgehend spontan, ändern sich häufig und verschiedene Faktoren wie Entfernungen, Auftragsprioritäten, Termine, Ladekapazitäten, technische und organisatorische Rahmenbedingungen müssen bei der Fahrzeuganweisung berücksichtigt werden. So ist die Planung und Steuerung von Fahrzeugen wie Gabelstaplern, Zugmaschinen oder Routenzügen sowie die Disposition von Transporthilfsmitteln wie Hängern oder Containern durch die hohe Komplexität kaum noch möglich. Intelligente Lösungen als Autopilot können die Arbeit hier stark erleichtern und die Effizienz steigern. Transportaufträge werden durch das System zentral gesammelt und optimal auf die Ressourcen verteilt, Stellplätze verwaltet sowie Be- und Entladungen und andere Tätigkeiten gesteuert - vollautomatisch und transparent.

Auf diese Weise können die innerbetrieblichen Transporte mit der laufenden Produktion synchronisiert werden und es entsteht eine transparente Materialverfolgung. Außerdem wird der Einsatz der Ressourcen minimiert und die Transportmittel gleichmäßig ausgelastet.

Die Funktionen im Überblick

Überträgt man die einzelnen Funktionen eines Autopiloten für Pkw auf die Anwendungen in der Logistik, kann man folgende Dienste zusammenfassen:

  • Spurhalte – und Spurwechselassistent: Trotz unerwarteter Ereignisse wie dringende Spontanlieferungen schaffen die Systeme durch flexible Umplanungen des Ablaufplans reibungslose Prozesse. So werden die Produktionsversorgung oder Auslieferung gesichert. Das System navigiert zu den richtigen Dispositionsentscheidungen.
  • Kollisionsvermeidungsassistent: Das System plant vorausschauend und verhindert so Staus vor und im Werk. Zudem können Kollisionen in der innerbetrieblichen Logistik vermieden werden. Gerade bei engen Lagergängen kann es durchaus vorkommen, dass zwei Stapler in einem Gang für einen Engpassbereich sorgen.
  • Bremsassistent: Um rechtzeitig richtige Planungsentscheidungen treffen zu können, müssen alle erfassten Informationen den Anwendern zur Verfügung gestellt werden. Aussagefähige Dashboards und KPIs helfen, Schwierigkeiten wie mögliche Engpässe in Echtzeit zu identifizieren und dementsprechend zu reagieren. Auf kritische Vorfälle kann folglich sehr schnell reagiert werden.
  • Tempomat: Anhand von Informationen zu äußeren Einflüssen und Informationen wie beispielsweise Verkehrsaufkommen kann das System selbstständig Entscheidungen treffen und den Kurs dementsprechend korrigieren. Ein Großteil der Entscheidungen kann vom System übernommen werden und der Disponent hat mehr Zeit für all die Entscheidungen, die seine ganze Erfahrung und Kompetenz fordern.
  • Parkassistent: Intelligente Systeme können in der Lieferlogistik die Pläne direkt und automatisch zu den Fahrern kommunizieren. So werden diese direkt zu den Ladestellen sowie Puffer- und Parkplätzen im Werk gewiesen.

Fazit

„Autopiloten“ werden heute in sehr vielen unterschiedlichen Bereichen und für unterschiedliche Zwecke verwendet. Sie sind seit einigen Jahren bereits Best Practice in der Logistik. Ziel ist vor allem, die Mitarbeiter bei komplexen Entscheidungen zu unterstützen, was aufgrund immer komplexer werdender Systeme zunehmend nötig wird. Sie können ihre Kompetenzen dementsprechend dort einsetzen, wo es sinnvoll und unumgänglich ist.

Auch für diejenigen, die gerne die Führung behalten: Hin und wieder macht es Sinn, den Autopiloten einzuschalten. Im Bereich Lieferlogistik gibt es Bereiche wie die innerbetriebliche Logistik oder Lkw-Zulaufsteuerung, wo die Planung der Prozesse mit all ihren Rahmenbedingungen so komplex ist, dass eine effiziente manuelle Planung unmöglich wird. Um langfristig eine vollautomatische, transparente Supply Chain zu erreichen, sollte man intelligente Systeme als logistische Autopiloten nutzen, um Prozesse zu analysieren und zu verbessern.

Setzen Sie in der Logistik bereits auf intelligente Systeme? Wo macht hier Ihrer Meinung nach eine Autopilot-Funktion Sinn?



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Über den Autor

  • Dennis Joswig

    Dennis Feddern arbeitet seit 2014 bei INFORM. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit den Chancen der Digitalisierung und entwickelt gemeinsam mit Kunden Projekte für eine intelligente, datenbasierte Entscheidungsfindung in der Intralogistik und LKW-Zulaufsteuerung.

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