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MACHINE LEARNING IST NUR EIN BAUSTEIN DER OPTIMIERUNG

24.02.2020 // Adrian Weiler

(c) AndreyPopov - Getty Images

Der Traum von der Künstlichen Intelligenz (KI) ist nun bereits über 60 Jahre alt, wenn wir die berühmte Dartmouth Conference von 1956 als Geburtsstunde der KI betrachten. Dass die sogenannte „starke KI“, ein bewusstseinsfähiger Computer, der die Menschen in nahezu allen Belangen überflügelt, in den folgenden Jahrzehnten dann doch noch nicht entwickelt werden konnte, ist hinreichend bekannt. Auch heute noch sind wir meilenweit von solch einem System entfernt und doch hat sich KI wieder zum Trendbegriff der Wirtschaft und Medienwelt entwickelt. Um ein Teilgebiet dieser Forschung, Machine Learning (ML), ist ein regelrechter Hype entstanden.

Grundsätzlich halte ich diese Entwicklung für durchaus erfreulich. ML bietet viele wichtige Anwendungsmöglichkeiten, die in unterschiedlichsten Branchen bereits erprobt werden. So gaben 57 Prozent von 343 befragten IT-Entscheidern in einer aktuellen Studie an, bereits mindestens eine ML-Anwendung in ihrem Unternehmen zu nutzen. Immerhin 22 Prozent nutzen fünf oder mehr Anwendungen. Dennoch sollte auch ML ganzheitlicher im Kontext weiterer Technologien und menschliche Expertise betrachtet werden, um in Unternehmen den meisten Mehrwert zu generieren. Wie fügt sich die Technologie also in das Gesamtbild ein?

Klarheit in der Begrifflichkeit

Um in einem Geschäftsumfeld kluge operative Entscheidungen zu treffen, braucht es intelligente Technologien. Dazu kann ML einen Beitrag leisten, doch zu oft noch wird der Begriff diffus mit KI gleichgesetzt. Ebenso wird unter KI eine große Bandbreite an Technologien verstanden, die aber eigentlich ganz Unterschiedliches meinen. KI ist ein Teilgebiet der Informatik, so wie die Mechanik ein Teilgebiet der Physik darstellt. Grob vereinfacht versucht KI, unterschiedliche Aspekte der menschlichen Intelligenz auf Maschinen zu übertragen. Dazu zählt zum Beispiel auch die automatisierte Spracherkennung. Maschinelles Lernen wiederum ist eine Disziplin der KI, bei der große Datensätze mittels mathematischer Methoden auf Strukturen und Muster hin untersucht werden.

In diesen Bereichen fallen prinzipiell zwar auch die aktuell viel diskutierten neuronalen Netze, doch kommen diese Systeme zur Optimierung von Geschäftsprozessen oft nicht in Frage. Schließlich funktionieren sie wie eine Art Blackbox. Es bleibt dem Anwender verschlossen, welche Entscheidungen warum getroffen wurden. In vielen Fällen ist es aber von essenzieller Bedeutung, nachvollziehen zu können, wie neu erlernte Regeln aufgestellt wurden, um mittels dieser Erkenntnisse weiter an der Optimierung eines Prozesses arbeiten zu können. Außerdem gibt es Anwendungsfälle – insbesondere, wenn empfindliche Daten wie Gesundheitsdaten, Bankdaten oder Vergleichbares involviert sind – bei denen die juristische und ethische Pflicht besteht, algorithmisch getroffene Entscheidungen überprüfen zu können.

Anwendungen des maschinellen Lernens

Ist die Transparenz der Systeme gegeben, können ML-Algorithmen sehr wohl konkrete Mehrwerte in Unternehmen schaffen. Sie generieren neues Wissen, indem sie implizite Muster innerhalb großer Datenmengen aufdecken. So lassen sich zunehmend präzise Vorhersagen treffen, etwa über den Eintritt und die Dauer künftiger Ereignisse. Während der berühmte Streaming-Anbieter Netflix damit seine Zielgruppen besser kennenlernt, verbessern operative Manager die Grundlage ihrer Entscheidungsfindung, etwa in der Absatzplanung, der Bodenabfertigung von Flughäfen, der Produktionsplanung, Transport- und Umschlagslogistik oder bei der Betrugsprävention in der Finanzwirtschaft. Oft werden die Prognosen mit der Zeit besser, je mehr Korrelationen in den Daten aufgedeckt werden.

Dennoch reicht ML in der Regel allein nicht aus, um Geschäftsprozesse zu optimieren. Wäre eine Bank beispielsweise darauf angewiesen, Regeln für die Betrugserkennung allein durch ML zu erlernen, würden bei jeder neuen Betrugsart Wochen vergehen, bis die Algorithmen das Muster erkannt haben und zuverlässig blockieren können. Der finanzielle Schaden wäre enorm. Aus diesem Grund spielen menschliches Expertenwissen und andere Formen der KI weiterhin eine immense Rolle.

Algorithmen des Operations Research (OR) bilden dieses Expertenwissen hinsichtlich der Geschäftsprozesse, Verhaltensmustern, Planungsziele oder -restriktionen durch mathematische Entscheidungsmodellierung ab. Sie sind dann in der Lage, alle potenziellen Entscheidungsräume – unzählige Varianten, in einer Entscheidungssituation zu handeln – in kürzester Zeit zu durchsuchen und den Entscheidungsraum immer weiter zu verkleinern, bis die situativ beste Handlungsoption gefunden ist.

Digitales Entscheiden durch hybriden Ansatz

Auch wenn der mediale Hype dazu neigt, oft nur einen einzelnen von vielen wichtigen Aspekten eines Themas ins Rampenlicht zu stellen, verhält es sich in der Realität meistens ein wenig komplexer. Machine Learning ist eine wichtige Technologie, mit der sich heute bereits viel erreichen lässt. Digitales Entscheiden – und dadurch die Optimierung von Geschäftsprozessen – setzt aber ein hybrides Zusammenspiel verschiedener KI-Technologien und menschliches Expertenwissen voraus, das sich nicht innerhalb einiger Wochen Training aus Daten gewinnen lässt, sondern aus 50 Jahren Erfahrung in der Entwicklung intelligenter Systeme.

ÜBER UNSERE EXPERT:INNEN

Adrian Weiler

Geschäftsführer

Adrian Weiler ist Geschäftsführer der INFORM GmbH.