Transportwelt 2030 – Sind Zeitfenster eigentlich noch zeitgemäß?

von Matthias Wurst
Lkw auf der Autobahn
(c) IvanSpasic - Getty Images

Das Innovationsprogramm Logistik 2030 des Bundesverkehrsministeriums (BMVI) erlaubt einen Blick in die Zukunft der Transportwelt. Das Programm soll Wissenschaftler, Politiker und Unternehmer sowie Verbandsvertreter an einen Tisch bringen, um über wichtige Themen der Logistik zu beraten. Die elf Themenfelder beinhalten unter anderem die digitale Infrastruktur, die Logistik-Berufswelt, alternative Antriebe, oder das verkehrsübergreifende digitale Transportmanagement. Laut DVZ sind die Ziele zwar gut, aber aus aktueller Sicht noch unrealistisch: alle Verkehrsträger sind über digitale Plattformen miteinander vernetzt, der Beruf des Lkw-Fahrers hat sich zu dem eines Transportmanagers entwickelt, der Schienengüterverkehr soll einen Marktanteil von mehr als 20 Prozent haben, und Zustellungen in der Nacht sind die Regel. Größtenteils liege das Problem bei der Umsetzung an der nicht zu Ende gedachten Finanzierung der Programmpunkte. Das Programm zeigt deutlich, dass die Logistikbranche mit einer Vielzahl an Innovationen und neuen Technologien konfrontiert ist.

Logistik-Plattformen für eine bessere Kommunikation

Ein Programmpunkt, den ich persönlich sehr wichtig finde, ist das werkübergreifende digitale Transportmanagement. Nur durch einen weitreichenden Überblick über Transportflüsse und eine hohe Transparenz der Lieferketten können Prozesse in der Lieferlogistik verbessert werden. Grundvoraussetzungen dafür sind digitale Verkehrsträger, geeignete Plattformökonomien sowie eine konsequente Open-Data-Politik.

Denn Lieferketten werden immer komplexer und gleichzeitig verlangen Kunden nach immer mehr Transparenz. Plattformen können hier für einen besseren und schnelleren Informationsfluss zwischen Verladern, Transportdienstleistern und Produzenten sorgen. Diese Plattformen ermöglichen eine Echtzeit-Kommunikation und zeitnahen Austausch unter den Beteiligten, um mögliche unerwartete Ereignisse in der Planung der Lieferlogistik flexibel integrieren zu können.

Ist Zeitfenstermanagement eine zeitgemäße Lösung?

Eine weitere Frage, die sich mir stellt: Ist Zeitfenstermanagement noch zeitgemäß? Sicherlich macht es Sinn, Zeitfenster einzusetzen, um Stoßzeiten im Werk abzufangen und diese zu glätten. Häufig ist es jedoch so, dass wenn ein zu starres Zeitfenster vorgegeben wird, und der Lkw zu spät kommt, er erstens Standgeldansprüche verliert und zweitens nach ganz hinten in der Abfertigungsreihenfolge rückt. Diese Restriktionen sind aus meiner Sicht aktuell zu streng. Denn in der Realität führt dies dazu, dass ein Lkw-Fahrer, der eine halbe Stunde Verspätung hat, zwischen fünf und sechs Stunden im Werk bis zu der Abfertigung warten muss. Die Folge ist, dass die Lkw häufig schon zwei Stunden zu früh am Werk sind und unter anderem in angrenzenden Gewerbegebieten warten, bis ihr Zeitfenster startet. Bei einem Fahrermangel von etwa 45.000 bis 60.000 Fahrern allein in Deutschland eine unvorstellbare Ineffizienz.

Echtzeit-Anwendungen wie Track & Trace sowie ETA-Berechnung können hier helfen, durch präzisere Informationen über die ankommenden Lkw auf Leerzeiten, Verschiebungen und Verspätungen besser zu reagieren. Jedoch können sie nicht – im Gegensatz zu einer Zeitfensterplanung – Stoßzeiten im Werk glätten.

Fazit

Die Logistikbranche muss sich mit ihrer Zukunft befassen und sich mit vielen neuen Technologien auseinandersetzen. Welche Technologie sich überhaupt, wie und wann durchsetzen wird, ist zurzeit noch unklar. Meiner Meinung nach sind Logistik-Plattformen in Zukunft unerlässlicher Bestandteil, um den Informations- und Kommunikationsfluss in der Branche zu verbessern und komplexer werdende Lieferketten noch transparenter zu gestalten. Auch etablierte Technologien sollten kontinuierlich hinterfragt werden, um sie und die betroffenen Prozesse stets weiter zu optimieren.

Das Innovationsprogramm Logistik 2030 soll am 4. September von Verkehrsstaatssekretär Steffen Bilger vorgestellt werden. Wir bleiben gespannt, wie es hier weitergeht und was die Zukunft der Transportwelt bereithält.

Wie sehen Sie die Zukunft der Logistik? Welche Technologien halten Sie für zukunftsweisend, welche nicht mehr für zeitgemäß?



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Über den Autor

  • Matthias Wurst

    Matthias Wurst arbeitet seit 2014 bei INFORM und interessiert sich als Head of Business Development  Industrie insbesondere für die Optimierung der Lieferlogistik und interner logistischer Prozesse.

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