Was für Supply Chains und Logistik 2019 wichtig wird

von Peter Frerichs

270 voll beladene Container hat der Frachter "MSC Zoe", eines der größten Containerschiffe der Welt, in den ersten Januartagen in der Nordsee verloren. Aktuell suchen Spezialschiffe nach den herumtreibenden Containern. Die Ursache ist derzeit noch unklar: Ob der hohe Wellengang oder doch eine mangelnde Sicherung dazu geführt haben, dass die Ladung über Bord ging, wird noch untersucht. Für Unternehmen als Ladungsempfänger ist dies jedenfalls eine unvorhersehbare Disruption und zieht viele logistische Folgen nach sich, mit denen sie nun zu kämpfen haben. Sie müssen sich mit dem Lieferausfall arrangieren, die Auswirkungen auf Folgeprozesse entlang der Supply Chain identifizieren und schnellstmöglich gute Alternativen finden, um Aufträge oder Liefertermine dennoch einzuhalten.

Einige Ansätze, die ich als wichtige Trendthemen für 2019 und die Folgejahre identifiziere, können Unternehmen in einer solchen Situation wertvolle Unterstützung leisten:

1. Rückverfolgbarkeit durch Blockchain

Mithilfe der Blockchain-Technologie wird die Rückverfolgbarkeit von Waren wesentlich einfacher, da alle beteiligten Parteien in Echtzeit verfolgen können, in welchem Stadium sie sich gerade befindet. Der Geld- und Warenfluss entlang einer Supply Chain wird durch eine Historie von Transaktionen transparent für alle Beteiligten. Durch die dezentrale Datenspeicherung schützen Blockchains außerdem Informationen und machen Manipulation nahezu unmöglich. Zusätzlich zu dieser erhöhten Sicherheit können auch so genannte "Smart Contracts" Handlungen und Zahlungen eigenständig veranlassen oder stoppen. So bestünde im Beispielfall des Containerunglücks die Möglichkeit, sich durch Automatismen schnell von vertraglichen Vereinbarung über die verloren gegangenen Waren zu lösen.

2. Schnelle Reaktionen durch Agilität

Situationen, wie das Containerunglück, kann keine Software vorhersagen. Sie bleiben höchst disruptiv. Die einzige Möglichkeit, die Unternehmen haben, um die schwerwiegenden Folgen durch den Lieferausfall nicht gänzlich zur Katastrophe werden zu lassen, ist eine schnelle, adäquate Reaktion. Dafür wiederum ist Software unabdingbar. Wenn Rohwaren oder Zukaufteile für Endprodukte nicht zum geplanten Termin angeliefert werden können, müssen viele Entscheidungen getroffen werden: Gibt es Ersatzlieferanten? Kann ein anderes Produktionslos vorgezogen werden, bis Nachschub angeliefert wird? Die nötigen Analysen für Alternativen und ihre Konsequenzen können Stunden und Tage dauern. Wenn unter solchem Druck umgeplant werden muss, sind Algorithmen-gestützte und selbstlernende Systeme gefragt. Sie haben - im Gegensatz zum Menschen - eine praktisch unbegrenzte Aufnahmefähigkeit. Für Berechnungen, die heute innerhalb von Sekunden passieren, waren vor einigen Jahren noch Monate notwendig. So können innerhalb kürzester Zeit die Auswirkungen von Störungen auf die Prozesse der Supply Chain berechnet werden. Dies versetzt Planer in die Lage, auch angesichts unerwarteter Vorkommnisse souverän zu agieren und immer die bestmögliche Entscheidung zu treffen.

3. Bessere Planung durch Data Sharing

Störfälle gibt es entlang einer komplexen Supply Chain zuhauf. Auf See verlorene Container kommen dabei mit großer Überraschung und verursachen viel Chaos. Doch im Unternehmensalltag sind es meist die kleinen, häufig auftretenden Störungen, die letztlich den Großteil der Probleme und Verzögerungen verursachen: Fehlende Bestände im Lager, abgelaufene oder falsche Waren, überbelegte Maschinen oder eine in der Absatzplanung unberücksichtigte Verkaufsaktion. Um diese alltäglichen Störungen zu verhindern, nutzen Unternehmen ERP-Systeme und im besten Fall zusätzlich auch optimierende Add-on Systeme, zum Beispiel für das Bestandsmanagement. Diese Planungssysteme bedienen sich historischer Daten aus dem Bestell- und Absatzverhalten von Produkten. Doch bei noch bisher unbekannten Störungen in der Lagerwirtschaft fehlt ihnen oft die nötige Datengrundlage, um eine gute Entscheidungshilfe zu sein. Digitale Plattformen für die Disposition sind hier die Lösung und ein anhaltend starker Trend für das Supply Chain Management. Das Prinzip ist einfach: Wenn Unternehmen derselben Branche etwa ihre Bestell- und Absatzinformationen auf einer gemeinsamen Plattform teilen, profitiert jedes einzelne von der verbesserten Datenlage. Denn ähnliche Produkte weisen meist auch ein ähnliches Verbrauchsverhalten auf und unterliegen den gleichen Konditionen. Beispielsweise zeigen die Konsumgüterbranche und auch das C-Teile Management diese Parallelen im Verbrauchsverhalten sehr deutlich. Ein intelligenter Prognosealgorithmus, der die Daten nicht nur eines Portfolios, sondern mehrerer beobachtet, wird verlässlichere Ergebnisse erzielen. In dieser Idee sehe ich großes Potenzial.

4. Logistik-Marktplätze und prognosebasierte Distribution

Die Auswahl für Spediteure und Logistikdienstleister wird sich zukünftig auch durch die Vergrößerung von Logistik-Marktplätzen verändern. In Hinblick auf Schnelligkeit, Lieferstrecken und Qualität leisten diese Vergleichsportale eine Entscheidungshilfe. So werden Beschaffungsprozesse noch stärker optimiert. In diesem Zusammenhang wird auch Absatzprognosen zukünftig eine noch höhere Bedeutung zukommen, um die Distribution effizienter zu steuern. Amazon geht mit einer Patentanfrage für das Prinzip des so genannten "Anticipatory Shipping" in diesem Bereich einen Schritt voran. Der Gigant will Waren künftig schon in Richtung des Kunden liefern, bevor dieser seine Bestellung überhaupt ausgeführt hat. Daten rund um das Persönlichkeitsmuster der Kunden machen diese Idee möglich. Darauf basierend bringt Amazon die prognostiziert bald bestellten Waren schon einmal in ein Versandzentrum nahe der Zieladresse. Wenn die Bestellung eintrifft, erfolgt die Lieferung damit noch schneller. Auch für Großhändler und mittelständische Unternehmen kann dies ein erfolgsversprechendes Zukunftsthema werden.

Welche Trends in der Logistik und dem Supply Chain Management erwarten Sie in diesem Jahr?



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